Sie nannten ihn Teddy
22. August 2022
1944, Gedenken, Info-Blatt 117, Magdeburg
Am Donnerstag, 18. August 2022 wurde im Freigelände des Technik Museum Magdeburg, des vor 78 Jahren, nach jahrelanger Einzelhaft, Folter und KZ und auf direkten Befehl von Hitler ermordeten Vorsitzende der KPD und Reichstagabgeordnete, Ernst Fritz Johannes Thälmann (*16.04.1886 Hamburg-Altona; † 18.08.1944 KZ-Buchenwald) gedacht.
Seine politische Laufbahn begann bereits 1903 in Hamburg. Er war Mitorganisator des Hamburger Aufstandes vom 23. bis 25. Oktober 1923 dessen 100. Jahrestags wir nächstes Jahr gedenken. Ab Februar 1924 war er stellvertretender Vorsitzender und ab Mai Reichstagsabgeordneter der KPD. Am 1. Februar 1925 wurde er Vorsitzender des Roten Frontkämpferbundes (RFB) und baute eine große antimilitaristische und klassenkämpferische Bewegung in ganz Deutschland mit auf. Der RFB galt als Schutz und Trutz Organisation gegen Militarismus, Faschismus und staatliche Repression. Sie schützten Veranstaltungen und Streits sowie Arbeiterviertel vor den faschistischen Horden und der Polizei. Thälmanns Organisation- und Strahlkraft ging weit über Deutschland hinaus. Er wurde am 1. September 1925 dann Vorsitzende der KPD. Im darauf folgenden Jahr unterstützte er in Hamburg den dortigen Hafenarbeiterstreik, als Ausdruck der Solidarität mit einem englischen Bergarbeiterstreik, der sich (positiv) auf die Konjunktur der Unternehmen im Hamburger Hafen auswirkte sowie die Absicht hatte, die „Streikbrechergeschäfte“ von Hamburg aus zu unterbinden. Die deutschen Kommunisten erstarkten in der Weimarer Republik zur dritten politischen Kraft und zu einer Volkspartei. Ernst Thälmann warnte in seinem Wirken in der Zwischenkriegszeit vor der aufkommenden faschistischen Gefahr und deren Führer und wurde daher zum Symbol des Widerstandes, es erbitterten Kampfes gegen die terroristische Herrschaft des Kapitals und gegen Faschismus, aber auch der Hoffnung auf eine neue bessere Welt. Während die SPD für Hindenburg warb, wusste die KPD unter Thälmann „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“.
Kritisch muss man jedoch feststellen; unter seiner Führung lehnte die Partei die Kritik Rosa Luxemburg am Leninismus ab, was sich in der unkritischen Haltung zu Stalin bemerkbar machte und sich auf die stalinistisch gesonderte Interpretation des Kommunismus konzentrierte sowie in der Betonung, „die Sozialdemokratie ist objektiv der gemäßigte Flügel des Faschismus“. Gegen den stärker werdenden „Nationalsozialismus“ propagierte er eine „Antifaschistische Aktion“ als „Einheitsfront von unten“, also unter Ausschluss der SPD-Führung. Dieses Vorgehen entsprach der Sozialfaschismusthese der Komintern von 1929-35. Als der NSDAP am 30. Januar 1933 die Macht übertragen wurde, schlug Thälmann der SPD einen Generalstreik vor, um Hitler zu stürzen, doch dazu kam es nicht mehr. Am 7. Februar des Jahres fand im Sporthaus Ziegenhals bei Königs Wusterhausen eine ZK-Beratung statt, auf der Thälmann zum letzten Mal vor leitenden Genossen sprach. Selbst nach Errichtung der NS-Diktatur hielt die Komintern immer noch diese politische Linie und die organisatorische Politik weiter für vollständig richtig. Im Mai 1933 erklärte auch die KPD noch: „Dass die Sozialfaschisten, die sozialdemokratischen Organisationen und ihre Presse nach wie vor die soziale Hauptstütze der Kapitaldiktatur darstellen“.
Am Nachmittag des 3. März 1933 wurde Ernst Thälmann und sein persönlicher Sekretär Werner Hirsch, kurz vor dem Wechsel aus Berlin-Charlottenburg in ein illegales Quartier, beim Packen der Koffer, vor der Polizei überrascht, festgenommen und des Hochverrats angeklagt. Dem war eine gezielte Denunziation vorausgegangen. Durch einige Ungereimtheiten in diesem Zusammenhang gelang der Polizei nur Stunden später die Verhaftung von Thälmanns politischen Sekretär und dem persönliche Kurier des Parteichefs. Vom Polizeipräsidium am Alexanderplatz wurde er in die Untersuchungshaftanstalt Moabit verlegt. Dieser Ortswechsel durchkreuzte den ersten einer Reihe von unterschiedlich konkreten Plänen, Thälmann zu befreien. Zwischen 1933 und 1934 wurde Ernst Thälmann mehrfach von der Gestapo in deren Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße verhört und dabei auch misshandelt. Am 5. März 1933 erfuhr Rosa Thälmann von der am 3. März erfolgten Verhaftung ihres Ehemannes. Sie reiste nach Berlin und durfte Thälmann in einem dreiwöchigen Rhythmus im Moabiter Gefängnis besuchen. Auf diesem Weg und mit Hilfe von Kassibern hielt die Führung der KPD die Verbindung zu Thälmann aufrecht.
Auf Anweisung Hitlers, denn er befürchtet Thälmann würde „nur“ eine Höchststrafe von 15 Jahren Freiheitsentzug erhalten, hob 1935 der II. Senat des Volksgerichtshofes die Untersuchungshaft auf und ordnete die sogenannte Schutzhaft an. Zu seinem 50. Geburtstag 1936, im selben Jahr begann der Spanische Bürgerkrieg, benannte sich die XI. Internationale Brigade und ein ihr untergliedertes Bataillon nach Ernst Thälmann. Im Oktober 1937 schrieb Rosa Thälmann einen Brief an Göring, in dem sie entschiedene Hafterleichterungen für ihren Mann forderte. In Hamburg drang sie in das Hotel Atlantic ein, um diesen Brief selbst an den Reichsinnenminister Göring zu übergeben. Ab Weihnachten 1937 durften sie und ihr Mann allein in seiner Zelle bleiben. Vom 13.8. 1937 bis zum 11.8.1943 war er als „Schutzhäftling“ im Gerichtsgefängnis Hannover weiterhin in Isolationshaft. Als Deutschland und die Sowjetunion 1939 ihre Beziehungen verbessert hatten (Hitler-Stalin-Pakt), setzte sich Stalin offenbar nicht für Thälmanns Freilassung ein. Nachdem im März 1939 der Kurier von Rosa Thälmann beim Grenzübertritt verhaftet wurde, blieben die finanziellen Mittel für ihren Unterhalt aus. Ab November 1939 versuchte sie es vergeblich, in der sowjetischen Botschaft in Berlin, Hilfe für sich und ihren Ehemann zu erhalten. Später, nach der Befreiung erfuhren die Angehörigen sogar, dass Thälmanns „Rivale“ Walter Ulbrich alle Bitten ignorierte und nicht für die Befreiung Position bezogen hat.
Von 1943-44 ist die Haftanstalt Bautzen die dritte Leidensstation für Teddy. An seinem Geburtstag 1944 wird die Tochter Irma verhaftet und ins KZ Ravensbrück eingewiesen, am 8. Mai ebenfalls seine Ehefrau Rosa verhaftet und ins Frauen-Konzentrationslager nahe dem mecklenburgischen Luftkurort Fürstenberg verbracht, wie schon zuvor die Tochter.
Wohl für immer bleiben die genauen Umstände der Ermordung ungeklärt und sind in der Forschung umstritten, doch geht die Mehrheit der Wissenschaft vom 18. August 1944 als Todesdatum aus. Die hinterhältige Hinrichtung steht dabei im Zusammenhang mit der Aktion Gitter und den NS-Repressionen nach dem 20. Juli. Am 14. August 1944 traf der Reichsführer SS Himmler mit Hitler in seinem Hauptquartier in Ostpreußen zusammen. In einer überlieferten Gesprächsnotiz des Treffens sind neben einigen Namen aus dem Verschwörerkreis des 20. Juli auch als letzter Punkt „12. Thälmann“ mit der handschriftlichen Ergänzung „ist zu exekutieren“ vermerkt.
Die Thälmann-Skulptur vom Bildhauer Gerhard Rommel geschaffen stand vormals vor dem Haupteingang des VEB SKET Magdeburg. Die Umsetzung auf den heutigen Standort im Technik Museum wurde durch die SKET Industriepark GmbH am 23.3. 2011 veranlasst. Wie so viele andere Denkmäler aus der DDR-Zeit, die jetzt aus der allgemeinen Öffentlichkeit verschwunden sind oder gar als verschollen gelten. Dies sollte zukünftig wieder reversibel gemacht werden.
Halten wir das Vermächtnis für einen der bedeutendsten Arbeiterführer und Kommunisten in Deutschland trotz allem weiter in Ehren. Wie zum Beispiel mit dem Ernst-Thälmann-Denkmal aus Bonze, im gleichnamigen Wohn-und Landschaftspark in Berlin-Pankow/Stadtteil Prenzlauer Berg, das auf einem Sockel aus ukrainischem Granit steht, und in der Bluse des Rotfrontkämpferbundes erhebt er die rechte Faust zum Gruß. Oder, seit 1969 gibt es in Hamburg die private „Gedenkstätte Ernst Thälmann“ mit musealem Charakter und zugehörigen Archiv in seinem ehemaligen Wohnhaus am 1985 nach ihm benannten Ernst-Thälmann-Platz. In der jetzigen Justizvollzugsanstalt Bautzen befindet sich die aufgearbeitete Einzelhaftzelle im Originalzustand, die durch einige Gedenkelemente ergänzt wurde. Für Ernst Thälmann wurden auch mehrere Stolpersteine in verschiedenen Städten verlegt. Eine Insel in der Nähe der kubanischen Schweinebucht trägt noch immer seinen Namen. Und ab 1992 erinnert am Eingang des temporären Besucherzentrums Deutscher Bundestag eine der 96 Gedenktafeln, zur Erinnerung an von den Nationalsozialisten ermordeten Reichstagsabgeordneten, an Ernst Thälmann.
Text und Fotos:
Klaus-Peter Schuckies (Landesvorstand)