Proteste gegen Rechts in Halle, Magdeburg und Weißenfels!
8. Februar 2024
Halle, Magdeburg, Protest, Weißenfels
Am vergangenen Wochenende gab es wieder Proteste gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Sachsen-Anhalt. In Halle haben ca. 1300 Menschen unter dem Motto „Hand in Hand – Wir sind die Brandmauer“ eine Menschenkette auf dem Marktplatz veranstaltet. In Magdeburg folgten um die 2500 Menschen dem Aufruf „Aufstehen gegen Rassismus!“ und in Weißenfels kamen ca. 400 Menschen zur Kundgebung „Nie wieder ist jetzt“ auf dem Marktplatz zusammen. Letzteres ist bemerkenswert, weil das Engagement gegen Rechts im ländlichen Sachsen-Anhalt besonders viel Mut erfordert. Der soziale Druck auf Protestteilnehmer:innen ist groß, nicht zuletzt weil ca. 25 Neofaschist:innen die Kundgebung beobachteten und versuchten mit Zwischenrufen zu stören. Zum Glück gelang ihnen keine weitere Störaktion wie im August 2023, als der CSD (auch aufgrund von Polizeiversagen) nicht die geplante Demoroute laufen konnte. Organisiert war die Kundgebung vom Bündnis für Toleranz und der Initiative Stadtraum Weißenfels, moderiert von Stadtpfarrer Patrick Hommel.
Redebeitrag 04.02.2024 Weißenfels
Im Namen des Landesverbandes der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Sachsen-Anhalt, gegründet von den Überlebenden der Konzentrationslager und Zuchthäuser, grüße ich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen Kundgebung hier, auf dem Marktplatz von Weißenfels.
Ich grüße Sie auch namens des Andenkens an unseren langjährigen Ehrenvorsitzenden , Karl-Heinz Hoffmann, einem Weißenfelser Bürger, eng auch mit dem Simon-Rau-Zentrum verbunden, aus Berlin stammend, er und sein Vater gewerkschaftlich organisiert, linksgerichtet, Humanisten, atheistisch geprägt. Nach Beginn der faschistischen Terrorherrschaft als Juden markiert, gedemütigt, verfolgt, misshandelt. Die „arische“ Ehefrau und Mutter bewahrte sie vor dem KZ. Sie sollten durch Arbeit, Zwangsarbeit , vernichtet werden. Sie überlebten. Karl-Heinz Hoffmann hat danach sein ganzes Leben in den Dienst der Aufklärung über den deutschen Faschismus gestellt. In den Nachwendejahren, er verstarb 2013, sprach er als Zeitzeuge vor Schülern, warnte er, klärte auf über den schon damals sich offen zeigenden, brutalen, mörderischen Neofaschismus. Er kannte damals noch nicht die sich heute bürgerlich gebenden geistigen Brandstifter. Die AFD gründete sich im selben Jahr.
Liebe Freunde!
Wir sind heute hier versammelt, wir protestieren entschieden gegen die Menschen verachtenden Vertreibungspläne, in deren Mittelpunkt Migrant*innen stehen, ausgedacht von einer geheimen Gesellschaft von biederen Bürger*innen, bestehend aus Vertretern etablierter Parteien, der CDU, ihr nahestehender Werteunion, der AFD, der Identitären Bewegung und Unternehmern. Wir nehmen heute hier diesen Wiedergängern des historischen Faschismus den öffentlichen Raum. Wir lassen nicht zu, dass sie öffentliche Räume in unserem demokratischen Gemeinwesen besetzen. Die Enthüllungen der Recherchegruppe Correctiv demaskieren die sich bürgerlich bemühenden AFD-Parlamentarier: der Masterplan zur Vertreibung von Millionen Migranten, auch mit deutschem Pass, sieht vor, diese in einem afrikanischen Musterstaat zu verbringen. Damit wäre dann das wieder hergestellte, ethnisch gesäuberte deutsche Staatsvolk von „kulturell Störenden“, „Blutsfremden“, „Messerstechern“, „Kopftuchträgerinnen“, „Vergewaltigern“, kurz, „Invasoren“, befreit. Die Umvolkung wäre beendet. Die Reinheit des deutschen Blutes wieder hergestellt. Das ehemalige SPD-Mitglied Sarrazin, könnte sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ in die Tonne werfen. Die Forderungen zur ethnischen Säuberung sind nicht neu. In seiner mit NS -Diktion gespickten Geraer Rede, Okt. 22, vor Tausenden Anhängern, fügte der Vors. der AFD-Fraktion Thüringen, Björn Höcke, noch hinzu: wenn wir an die Macht kommen, werden wir leider nicht ohne kleine Grausamkeiten bezüglich der dauerhaften Verabschiedung von politisch Andersdenkenden auskommen. Also, es träfe auch viele von uns. Der Inhalt des Geheimtreffens in Potsdam ist eine Reminiszenz an deutsche faschistische Pläne 1940, zur Ghettoisierung der Juden auf der Insel Madagaskar. Daraus wurde nichts. Das 2. Geheimtretreffen dann, die Wannseekonferenz, leitete die Vernichtung, den Holocaust, ein. Die Blaupause des Masterplans, siehe Plan Madagaskar, zur gnadenlosen Vertreibung artfremder Menschen passt gut zu den Aussagen im Grundsatzprogramm der AFD, dass nur deutsche Abstammung, also, reines deutsches Blut, zulässt. Passt auch gut zum Schlussstrich unter die dort so bezeichnete Schuld- und Scham- Erinnerungspolitik. Das Holocaust-Denkmal in Berlin wird als Schande bezeichnet, der deutsche Faschismus als Vogelschiss in der deutschen Geschichte. Die Erinnerungspolitik soll um 180 Grad gedreht werden, z. B.: deutsche Wehrmachtssoldaten haben tapfer gekämpft, nur nach Befehl auch gemordet. Das sogenannte Institut für Staatspolitik in Schnellroda (das Kollektiv IfS-dichtmachen organisiert dort regelmäßig Demos) hat keine Probleme mit den in den frühen Jahren der alten Bundesrepublik wieder rehabilitierten, eng involvierten Faschistengrößen, wie z.B. Hans-Maria Globke, Staatssekretär in der Adenauer-Regierung, verantwortlich unter Hitler für die diskriminierende, erniedrigende Zusatznamensgebung in den Kennkarten für Jüdische Menschen. Die Mutter von Prof. Reinhard Schramm, damals wohnhaft in Weißenfels, jetzt Vorsitzender der jüdischen Landesgemeinde von Thüringen, hieß dann Rosel Sara Schramm. Dazu kam der Judenstern. Es sollte die Deportation folgen, aber das Ehepaar Sperber, er Kommunist, aus dem KZ kommend, versteckten sie. So konnten sie überleben. Rosel Schramm ist in Weißenfels geblieben und stellte sich wie Karl-Heinz Hoffmann als Zeitzeugin zur Verfügung. Ihr Ziel war, vor allem junge Menschen über das Wesen des historischen Faschismus aufzuklären. Keinerlei Skrupel hätte die AFD, die bis 2006 als Landesverräter geltenden Mitglieder der großen Widerstandsgruppe Rote Kapelle, die, geehrt in der DDR, danach als Landesverräter eingestuft, wie die Deserteure, dann, erst im Jahre 2006, ein politischer Skandal, vom Bundestag rehabilitiert, verleumdet nach 1945 von dem in der BRD wieder Karriere machenden, Blutrichter M. Roeder, ehemals faschistischer Reichskriegsgerichtsrat, sie, so sie an die ersehnte Macht kämen, wieder als Landesverräter zurückzustufen. Neueste statistische Erhebungen zeigen das Wachstum dieser vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Partei. Lassen wir nicht zu, dass diese völkisch-rassistische, neonazistische Partei nach der Staatsmacht greifen kann! Wir als älteste antifaschistische Organisation Deutschlands fordern das Verbot der AFD, sind Teil der gleichnamigen, bundesweiten Kampagne. Die AFD stellt eine drohende, reale, Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar. Mit einem Verbot würde dieser Partei, deren Ziel es ist, die Demokratie abzuschaffen, die legale parlamentarische Grundlage entzogen. Wir fordern die Landesregierung von Sachsen-Anhalt dringend auf, über den Bundesrat, einen solchen Verbotsantrag auf den Weg zu bringen! Nehmen wir aber auch in diesem Kampf gegen die Menschen verachtenden Vertreibungspläne, im Kampf gegen die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte AFD, die schweigende Mehrheit, die Menschen in schwierigen sozialen Lagen, in diffamierender Weise als Unterschicht und bildungsfern auch von etablierten Parteien bezeichnet, mit. Klären wir sie auf, suchen wir das Gespräch mit unseren Nachbarn, unseren Mitbürgern, über die demagogischen Aussagen und Versprechungen dieser Rattenfänger. Benennen wir die AFD klar als neonazistische neoliberale Partei, die sich insbesondere für die Interessen der Reichen einsetzt, die einen völkisch.nationalistischen Blut- und Boden-Staat mit Hass auf Ausländer, auf politisch Andersdenkende, in Homophobie, terroristisch-autoritär regieren will. Die auf dem deutschen Theater nur deutsche Stücke sehen will. Dazu angemerkt: J. W. v. Goethe müsste sie wohl streichen, denn er sagte als Weltbürger: „Wenn sich die Hoffnungen verwirklichen, dass die Menschen … sich mit Verstand und Liebe sich vereinen und voneinander Kenntnis nehmen , … dann … kann es entstehen, ein allgemeines sittliches Weltbild…“
Nehmen wir aber auch Einfluss darauf, dass, statt Milliarden in Aufrüstung, in Kriege, dafür in Bildung, Gesundheit, bezahlbaren Wohnraum, in Kunst und Kultur, vor allem aber in die Beendigung von Armut, insbesondere der skandalösen Kinderarmut in einem so reichen Land, fließen.
Prekäre Lebenslagen sind ein Einfallstor für rechte Demagogen. Die AFD rechnet zur nächsten Wahl mit diesem Effekt. Machen wir ihr einen Strich durch die Rechnung! Das ist ganz im Sinne der Widerstandskämpfer*innen, unserer ermordeten und überlebenden Kamerad*innen der deutschen faschistischen KZ.
Für eine neue Welt des Friedens, der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit, gaben viele, auch für uns, ihr Leben. Ehren wir sie, indem wir ihren Kampf fortsetzen. Im Gedenken ihrer fordern wir das Verbot der neonazistischen AFD!
In seinem Buch „Ich will leben“ –„ Die Juden von Weißenfels“ – zitiert Prof. Reinhard Schramm den Dichter Erich Fried: „ Gespräch mit einem Überlebenden“
„Nur eines weiß ich:
Morgen wird keiner von uns
Leben bleiben
Wenn wir heute
Wieder nichts tun“
Bleiben wir zusammen für eine demokratische, offene, friedliche, sozial gerechte Gesellschaft, für eine friedliche Welt. Wir haben nur die eine, die allen Menschen gleichermaßen gehört.
Kein Fußbreit den Faschisten! Alle zusammen gegen den Faschismus!
Gisela Döring
Vorsitzende LV VVN-BdA Sachsen-Anhalt e. V.