Gedenken an die Bücherverbrennung vor 92 Jahren in Halle
12. Juni 2025
Redebeitrag
Liebe Anwesende!
Friedrich Wolf, um den es hier gehen soll, war Gründungsmitglied unseres Verbandes, VVN.
Seine Bücher, seine Dramen vor allem, als undeutsch, wider den deutschen Geist bezeichnet, wurden ins Feuer geworfen, 1933, im Mai.
Die Landesvertretung Rheinland/Pfalz hat ihm eine Gedenktafel gewidmet: Arzt, Schriftsteller, Demokrat.
Friedrich Wolf, als Sohn deutsch-jüdischer Bildungsbürger im Schwäbischen geboren, verließ zeitig sein Elternhaus, studierte Medizin, fuhr als Schiffsarzt bis nach Grönland, kam als Militärarzt im I,Weltkrieg mit revolutionär organisierten Soldaten zusammen, wurde Mitglied im Arbeiter- und Soldatenrat, hatte später als Anführer einer Hundertschaft gegen den Kapp-Putsch Anteil an dessen Niederschlagung.
In dieser Zeit entstanden erste Texte.
Sein Weg folgte seinen Idealen von einer sozial-gerechten Welt. Er trat der KPD und dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller bei.
Seine missionarische Sehnsucht nach einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit erdete er als Wohlfahrtsarzt, als Freund, Ratgeber der am Rand lebenden.
Es blieb nicht beim Medizinischen. Friedrich Wolf griff auf das im lebendigen historischen Gedächtnis der Bewohner der Schwäbischen Alb ruhende, auf die großen Bauernunruhen von 1514, Bundschuh und Armer Konrad zurück, legte 1922 das vielgespielte historische Drama „Der Arme Konrad“ vor ,gründete eine Laienspielgruppe und zog vor oft 1ooo Zuschauern im Wahlkampf der KPD über Land. Hier, wie im später geschriebenen Drama „ Thomas Müntzer“ ( man sollte beide wieder spielen, vor allem jetzt, zum 500.jahrestages des Großen Deutschen Bauernkrieges) die Müntzersche Botschaft: „omnia sunt communia“= „alles sei allen gemeinsam“ , die Güter und die Arbeit.
Als Arzt und Humanist setzte sich Friedrich Wolf für die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen, 218, ein. Sein darauf fußendes Drama „Cyankali“ brachte ihm den Hass fundamentalistischer Kreise, Anklage und Verhaftung ein, aber auch weltweite Anerkennung. Von Berlin bis Tokio wurde es gespielt.
In seinen Erinnerungen schrieb Friedrich Wolf:“ Am 28.Februar 1933 riefen seine Kollegen, seine Freunde an : Ihre Freunde haben den Reichstag angezündet!“
Friedrich Wolf, doppelt gefährdet, als Kommunist und Jude, ging mit seiner Familie ins Exil, von der Schweiz nach Paris, dort, kurz vor Einmarsch der deutschen faschistischen Truppen, gefangen im Internierungslager Vernet, dann mit einem gefälschten Pass in die Sowjetunion.
Ab 1941, dem Überfall des faschistischen Deutschland auf die Sowjetunion als Dolmetscher, später als Frontbeauftragter tätig, um über Lautsprecher und Flugblätter deutsche Soldaten zum Aufgeben zu bewegen, sie zu retten…
1945 kehrte er als einer der ersten deutschen Schriftsteller in das materiell und geistig verwüstete Deutschland zurück. Er hat viel dafür getan, das geistig-kulturelle Leben für die Menschen in Gang zu setzen. Sein 1933 in Paris geschriebenes, unmittelbar danach in der ganzen Welt gespieltes Drama, „ Prof. Mamlock“, in dem er das Schicksal des deutsch-jüdischen Bildungsbürgers, des preußisch disziplinierten Chefarztes und überzeugten Hindenburgwählers, Prof. Mamlock, darstellt, war ein Meilenstein damals in der Aufklärungsarbeit über das Wesen des deutschen Faschismus.
Es zeigte, wie viele bürgerliche Menschen in Illusionen gefangen waren, wie heute auch, den Faschismus verharmlosen, im Glauben, der müsse und werde sich an Recht und Gesetz halten.
Als man es erkannte, war es zu spät. Einige, die noch einen Funken Anstand hatten, gingen in die innere Emigration, andere, die meisten, wurden Mitläufer, Wegseher, Mittäter.
Diese Wege standen jüdischen Menschen nicht offen. In dramatischer Form zeigt Friedrich Wolf den bitteren Weg der Erkenntnis für Prof. Mamlock.
Erster Akt:
Ruth, seine Tochter, kommt aus dem Gymnasium nach Hause: … „ Ich renn in die Turnhalle, da steht auf dem Fußboden dick, mit weißer Kreide: Juden raus! Jetzt springe ich rauf zur Klasse, da knallt es von der Wandtafel: Juden raus“.
Zweiter Akt:
Prof. Mamlock wird auf der Grundlage des „Gesetzes über die Wiederherstellung des deutschen Beamtentums“ entlassen. Als er trotzdem-als Frontkämpfer, Träger des EK I, die Klinik, seine Klinik betreten will, wird er aus dem Auto gezerrt, die Kleidung zerrissen, hin und hergejagt mit einem Schild um den Hals: Jude.
Sein ehemaliger Kollege, jetzt unter dem Arztkittel die SA-Uniform, schreit: Jude bleibt Jude! Er wird nie mehr Gelegenheit haben, über einem Deutschen zu stehen! Unser Volk hat entschieden und die Entscheidung lautet: Juden raus!
Einen Tag später bringt eine neue Verordnung eine befristete Gnadenfrist: alle Frontkämpfer können wieder in deutschen Räumen arbeiten. Mamlock verweigert sich, da er den jüdischen Krankenpfleger nicht schützen kann, zieht seinen Revolver, erschießt sich.
Seine letzten Worte: …“sich fangen lassen, mit dem Schild um den Hals durch die Straßen geführt…und dennoch kämpfen…“
Der SA-Arzt Hellpach will ausmisten. 6 Millionen Juden wurden von den deutschen Faschisten ermordet. Solche SA-Leute haben in der alten BRD wieder Karriere gemacht…
Ein AFD- Bundestagsabgeordneter , der im Süden unseres Landes Ministerpräsident werden möchte, sagte vor wenigen Tagen:
„Wenn wir kommen, wird aufgeräumt, ausgemistet, dann machen wir Politik für das Volk, dann sind wir das Volk.“
Wie wir sehen, das Drama von Friedrich Wolf, 92 Jahre alt, hat nichts an Aktualität verloren. Wieder hebt der Faschismus sein Haupt , wieder will er sein Terrorregime errichten, will Menschen deportieren, bezeichnet das Holocaust-Denkmal als Schande, verehrt die faschistische Wehrmacht.
Gestern auf dem Markt hatten wir, aufgerufen vom Bündnis gegen Rechts, eine große Kundgebung gegen die neofaschistische Partei AFD.
Bleiben wir gemeinsam stark im Kampf gegen die Faschisten.
Es kann nur eines geben: AFD -Verbot jetzt!
Und, im Sinne des großen Dichters Friedrich Wolf: Für eine neue Welt des Friedens und der Freiheit!
Gisela Döring