Brief an Staatsminister Dr. Wolfram Weimer

20. Oktober 2025

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Sehr geehrter Herr Staatsminister Dr. Wolfram Weimer,

als Landesverband der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Sachsen-Anhalt e.V. wenden wir uns in großer Sorge an Sie als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien mit der Bitte, Einfluss zu nehmen, dass die sich in Vorbereitung befindliche rechte Buchmesse in Halle (Saale), am 8. und 9. November 2025, nicht stattfindet. Initiatorin und Anmelderin dieses rechten Großevents (der Ort, Halle-Messe, bietet bis zu 10.000 Menschen Platz), Susanne Dagen, Inhaberin des rechtsgerichteten Buchhauses Loschwitz, parteilose Stadträtin in der AfD-Fraktion, Dresden, gleichzeitig maßgebliche Akteurin der neurechten Literatursendung auf YouTube „Aufgeschlagen – Zugeschlagen. Mit Rechten lesen“, bietet dort rechten bis rechtsextremen Autoren eine
Bühne.

Ziel der von ihr in Halle initiierten rechten Buchmesse mit dem verharmlosenden Titel „Seitenwechsel – Gebt freien Büchern eine Gasse“ ist es, ein breites Publikum, vor allem junge Menschen, mittels Lesungen und Diskussionen einschlägiger neurechter und rechtsextremer Verlage (Jungeuropa, Antaios etc.) in den Sog völkisch-nationalistischen Denkens zu ziehen. Die dem zugrunde liegenden neurechten bis rechtsextremen Narrative decken sich mit dem, von einer Mehrheit abgelehnten, Antrag der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, eine neue Imagekampagne für das Land LSA, mit dem Titel „#deutschdenken“, ins Leben zu rufen. Auch dort, noch unverhohlener, wird das sogenannte Deutschsein als Aufwertung im völkisch-nationalistischem Sinne und als Gegenpol zum „Fremdsein“ propagiert. In dieser inhaltlichen Gemeinsamkeit hat die AfD Sachsen-Anhalt sich zustimmend zum Stattfinden der rechten Buchmesse geäußert.

Prof. Dr. Michael Meyen, LMU München, dazu: „Es sei kein Zufall, dass es im Osten passiert, und dass die Ostdeutschen vorangehen. Ich wünsche ein volles Haus.“ Dem entgegnen wir: Die Ostdeutschen gibt es nicht. In Halle hat sich, seit Bekanntwerden dieses neurechten Vorhabens, eine breit aufgestellte zivilgesellschaftliche Initiative formiert, deren öffentlicher Ausdruck das vom 21. September bis 8. November 2025 stattfindende „WIR-Festival“ darstellt. Als Plattform für demokratischen Austausch, kulturelle Vielfalt, zivilgesellschaftliches Engagement, Weltoffenheit und Mitmenschlichkeit, stellt sie einen Gegenpol zu der geplanten rechten Buchmesse dar.

Gleichzeitig initiierten die demokratischen Fraktionen des Stadtrates von Halle eine Resolution, die das „WIR-Festival“ unterstützt und in dem der Oberbürgermeister der Stadt aufgefordert wird, nochmals das Gespräch mit den privaten Betreibern der Halle – Messe zu suchen, sie auf ihre gesellschaftliche Verantwortung hinzuweisen, mit dem Ziel, die Buchmesse zu verhindern. In gleicher Sache haben wir uns an als Landesverband VVN-BdA Sachsen-Anhalt e.V. an den Oberbürgermeister gewandt.

Als älteste antifaschistische Organisation Deutschlands, im Vermächtnis stehend der Überlebenden der KZ und Zuchthäuser, unserer Gründungsmitglieder, die geschworen hatten, nie wieder Faschismus zuzulassen, wenden wir uns dringend an Sie, als Vertreter der demokratische Regierung Deutschlands, dieses antidemokratische, in weiten Teilen verfassungsfeindliche, rassistische und fremdenfeindliche Vorhaben nicht zuzulassen. Der neurechte und rechtsextreme Charakter der geplanten rechten Buchmesse zeigt sich offen in der Provokation, den Termin dieses Großevents auf den 9. November, dem Tag des faschistischen Pogroms 1938, einem stillen Gedenktag heute, in historischer Verantwortung für alle Deutschen, zu legen.

Dazu kommt: die rechtsextreme Raumnahme in Halle soll sich verstetigen, wird dann also, so die Hoffnung der rechten Akteure, dazu beitragen, die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, 2026, in rechtsextremer Richtung voranzutreiben. Das können wir nicht zulassen!

Und: Die Errichtung des Zukunftszentrums in Halle mit der Botschaft, demokratische, weltoffene Verhältnisse hier und weltweit in Mitmenschlichkeit weiter zu bauen, schließt ein solches antidemokratisches Vorhaben aus.

Mit freundlichen Grüßen,
Gisela Döring
Vorsitzende
Landesverband VVN-BdA Sachsen-Anhalt e.V.

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