Tag der Erinnerung, Mahnung und Begegnung in Halle
9. September 2024
Begegnung, Erinnerung, Halle, Mahnung
Am 8. September sind wir als Landesverband den Tag der Erinnerung, Mahnung un Begegnung auf dem Gertrauden Friedhof in Halle begangen. Nach einer Begrüßung durch unsere Landesvorsitzende Gisela Döring hielt Andreas Dose (DGB Halle, Tagebuch der Gefühle) die Gedenkrede und die Schüler*innen vom „Tagebuch der Gefühle“ könnten einen Einblick in ihr Projekt geben. Mit einer Schweigeminute gedachten wir den 679 im „Roten Ochsen“ durch die Nationalsozialisten ermordeten.
Begrüßungsrede von Landesvorsitzender Gisela Döring
Liebe Teilnehmerinnen, liebe Teilnehmer an unserem „Tag der Erinnerung, Mahnung und Begegnung“,
vor einem Jahr hier am Mahnmal für die Opfer des Faschismus versammelt, hofften wir, dass der unsägliche Krieg, den Russland als Aggressor gegen die Ukraine begonnen hat, durch Verhandlungen zu beenden sei, damit in Folge die Kriege alle auf dieser Welt. Vier Wochen später hielt die Welt den Atem an: die Terrororganisation Hamas verübte ein brutales Massaker an 1400 Menschen Israels, nahm 240 Geiseln. Nach Solidaritätsbekundungen , auch von uns, gedenken wir hier und heute dieser unschuldigen, wehrlosen Menschen, insbesondere auch der Überlebenden des Holocaust und ihrer Nachkommen. Wir verurteilen den um sich greifenden Antisemitismus. Wir, als Nachkommen der deutschen Faschisten, stehen in historischer Verantwortung ein für das Existenzrecht Israels. Gleichzeitig verurteilen wir die unverhältnismäßige militärische Gewalt der fundamentalistisch- rechtsreligiösen Regierung , die Gaza in ein Trümmerfeld verwandelt. Unser Standpunkt, den wir mit vielen linken Israelis und Palästinensern teilen, den unsere Ehrenvorsitzende, die Auschwitz-Überlebende und Sängerin, Esther Bejarano, vertrat, ist die überfällige 2-Staatenlösung.
In diesem Zusammenhang verbot der Berliner Senat auf Pro-Palästina-Demos gezeigte Fahnen mit rotem Dreieck/Winkel. Der rote Winkel wurde nach der Befreiung vom Faschismus zum Symbol der antifaschistischen Widerstandsbewegung, fand und findet sich auf zahlreichen Gedenksteinen der ersten Stunde. Er ist das bestimmende Logo-Teil unserer VVN-Fahne. Die politischen Häftlinge der KZ wurden mit dem roten Winkel markiert. Es ist schon vorgekommen, dass die Polizei in Berlin-vorerst- unsere Fahnen konfiszieren wollte. Die Berliner VVN-BdA, der Bundesvorstand, wir auch, haben uns deutlich dagegen ausgesprochen: Der rote Winkel bleibt!
Am Weltfriedenstag haben wir unsere Fahne mit dem roten Winkel gezeigt. Wir haben dort, gemeinsam mit der DFG-VK, der Partei DIE LINKE, den Omas gegen Rechts, ein deutliches Zeichen für Frieden, gegen kriegerische Lösungen, gesetzt. In Gesprächen kam immer wieder zum Ausdruck, dass die Menschen nichts von Kriegstüchtigkeit halten, dafür um so mehr von Friedensfähigkeit.
Irritierend dabei und laut Wahlergebnissen, dass ein Teil der AFD-Erfolge auf deren vermeintlichen Nimbus als Friedenspartei zurückgeht, müssen wir und die demokratischen Parteien stärker aufklärend wirken, der AFD die demagogische Friedensmaske vom Gesicht reißen. Wer Menschen deportieren will, kann kein Friedensfreund sein!
Die Widerstandskämpfer haben schon vor 1933 gegen die drohende Gefahr des Faschismus gekämpft. Die Losung der KPD: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt Krieg“ hat sich in den Vernichtungsorgien der deutschen Faschisten in fürchterlicher Weise erfüllt.
Die AFD will mit dem Krieg nach innen beginnen. Wir müssen diesen Menschenfeinden in breiten Bündnissen das Handwerk legen. Wir sind Mitglied der bundesweiten Kampagne: AFD-Verbot jetzt.
Diesen Kampf gegen Neofaschismus sind wir unseren Gründungsmitgliedern, den Überlebenden der KZ schuldig. Sie haben, wie Dr. Elfriede Paul, Ärztin und Mitglied der Schulze-Boysen-Harnack-Gruppe, deren Todesurteil aus Mangel an Beweisen zu hoher Zuchthausstrafe umgewandelt wurde, nach 1945, ohne sich zu schonen, am Aufbau des in Trümmern liegenden Landes entscheidend mitgewirkt. Elfriede, als KPD-Mitglied, wurde Ministerin in Hannover. Angefeindet von konservativ-rechten, aus ihren Schlupflöchern kriechenden alten Nazis, wurde sie aus dem Amt gedrängt. Sie und andere überlebende Mitglieder der „Roten Kapelle“ schafften es nicht, die erstarkende Neonaziszene zu durchbrechen. Der Blutrichter, Dr. Manfred Roeder, der über 100 Todesurteile über die „Rote Kapelle“ verhängte, konnte so unbehelligt die Mitglieder dieser großen Widerstandsorganisation als Landesverräter beschimpfen und denunzieren. In der BRD wurden sie kriminalisiert. Elfriede Paul, die in der DDR, in Magdeburg, an der Medizinischen Akademie einen Lehrstuhl für Sozialhygiene innehatte, wurde dort für ihre Widerstandsarbeit hoch geehrt.
Über sie und andere Überlebende der KZ und Zuchthäuser findet man heute harte Worte: sie hätten einem Unrechtstaat gedient und sich damit selbst ins Unrecht gesetzt. Wir als VVN-BdA ehren in ihnen ihren unter Einsatz ihres Lebens geleisteten Widerstand gegen das faschistische Terrorsystem, ehren in ihnen die Aktivisten der ersten Stunde, die erfolgreich mithalfen bei der Beseitigung materieller und geistiger Trümmer. Dafür ist ihnen zu danken. Der Dichter Bertolt Brecht sagt dazu in dem großen Gedicht: „An die Nachgeborenen“:
„Ihr aber, wenn es soweit sein wird
Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unserer
Mit Nachsicht.“
Im Gedenken an sie , an Elfriede Paul, an Robert Siewert, an Martha Brautzsch…
wollen und müssen wir ihr Vermächtnis: „Den Faschismus mit der Wurzel ausrotten Für eine neue Welt des Friedens und der Freiheit“ weitertragen, mit Friedensbündnissen gemeinsam, mit den Bündnissen gegen Rechts, mit jungen Menschen vor allem …, mit uns hier, die wir heute und hier versammelt sind.
Gisela Döring