27. Januar Gedenken in Gardelegen: Nie wieder ist jetzt!

11. Februar 2025

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Foto: Sophie Weinamann (Volksstimme)

„Nie wieder ist jetzt“. Dieses politische Schlagwort, das im Jahr 2024 sehr populär wurde, ist eine Gegenreaktion auf das Erstarken rechter Parteien und rechter Ideen sowie ein Bekenntnis zur Verantwortung und Verhinderung von Ungerechtigkeit, Hass, Rassismus und Diskriminierung. Dieses Motto vereinte die Anwesenden zur Gedenkveranstaltung am 27. Januar, dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, auf dem Gelände der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe (GFI) in Gardelegen. Passend dazu eröffnete Stefan Winzer, Leiter der GFI, eine Foto- und Zeichnungsausstellung von Schülern, die die Konzentrationslager in Auschwitz und Theresienstadt besucht haben.

Die markanten Worte „Nie wieder ist jetzt“ sind ein Zitat aus der deutschen Sprache, welches sich historisch auf die Shoah im Zweiten Weltkrieg bezieht. Es ist das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte. Das sich zu wiederholen scheint oder sich zumindest anbahnt. Erstmalig verwendeten Initiatoren und Kulturverantwortliche in Frankfurt am Main und im Rhein-Main-Gebiet diesen prägnanten Satz am 10. Dezember 2023 in ihrem Aufruf, insbesondere in Anbetracht des Attentats vom 7. Oktober 2023 in Israel und des Terrorismus der Hamas, sowie aufrufend zur Solidarität und zur Förderung von Respekt und Vielfalt in unserer Gesellschaft.

Doch manche Dinge ändern sich offenbar nicht: 80 Jahre nach dem Beginn des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses vom 20. November 1945 bis 14. April 1949 werden Nazikollaborateure im Ausland noch immer vom deutschen Staat alimentiert. Insgesamt ging die Zahl derer, die in besetzten Gebieten die Nazis unterstützten oder gar für sie kämpften, in die Millionen. Heute beziehen nur noch wenige von ihnen im Ausland deutsche Pensionen, alle mittlerweile über 90 Jahre alt. Im Dezember 2023 erhielten 7.648 Menschen im Inland und 657 im Ausland eine Kriegs-Zusatzrente von monatlich 164 bis 1.055 Euro steuerfrei ausbezahlt. Durchschnittlich erhalten die Bezieher einen Ruhegenuss von 7.000 Euro im Jahr, was der Staat jährlich mit etwa fünf Millionen finanziert, auf Leistungen nach dem sogenannten Bundesversorgungsgesetz, das 1950 verabschiedet wurde, um Kriegsverwundete und Kriegsgeschädigte zu unterstützen. Ein solcher Anspruch gilt auch für ausländische Kollaborateure, die sich freiwillig und aus Überzeugung den Nazis angeschlossen hatten und in eigenen SS-Verbänden aktiv waren. Es kann sich um Zivilisten, aber auch um ehemalige Wehrmachtssoldaten, wie auch Hilfskräfte in den KZ und Angehörige der Waffen-SS, eine Art Elitetruppe der Wehrmacht im Einsatz, handeln. Obwohl das internationale Militär-Tribunal die SS und ihre Gliederungen, also auch die Waffen-SS und ihre internationalen Freiwilligen, als „verbrecherische Organisation“ einstufte und in Deutschland verboten wurde, wird weitergezahlt. Bis in die 1980er Jahre hinein betrafen solche Zahlungen vorrangig Personen aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Zu einem Problem wurde es Anfang der 1990er Jahre, als mit dem Ende des Ostblocks insbesondere aus dem Baltikum ehemalige SS-Freiwillige die „Kriegsopferrenten“ beantragten und bewilligt bekamen. Denn wer für das Naziregime und seine Weltherrschaftspläne gekämpft hat, der sollte wenigstens dafür Geld aus Deutschland bekommen, wenn er schon in seinem eigenen Land von der Kriegs-Rentenversorgung bisher ausgeschlossen worden war.
Im Jahr 1997 regte sich im Bundestag dazu Widerstand. Geschehen ist seitdem überhaupt nichts, bis auf, dass in 99 Fällen die Renten gestrichen worden sind. Hier scheut man sich anscheinend immer noch vor der grundsätzlichen politischen Entscheidung, diesen geschichtspolitischen Skandal zu beenden. Und man lässt die biologische Uhr ticken, bis sich das Problem von selbst erledigt hat. Der deutsche Umgang mit den Nazikollaborateuren bei gleichzeitiger Verweigerungshaltung gegenüber den Ansprüchen der Opfer des deutschen Faschismus, macht einmal mehr deutlich, dass staatliche „Sonntagsreden“ zusammengehen mit der Förderung von Kollaborateuren und der Verweigerung der Hilfen für die Opfer, derer man doch jährlich so oft, so tief und innerlich betroffen gedenkt.
Dazu möchte ich polemisch anmerken: Wie gründlich, genau und pflichtbewusst bundesdeutsche Behörden sein können, zeigt sich im sog. Anspruch- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach dem deren Ansprüche aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR wegen „Staats- und systemnah“ eingestufte Angehörige von 19 Beruf- und Personengruppen fortwährend um ihre Rentenansprüche betrogen werden.

Klaus-Peter Schuckies
Landesvorstandsmitglied