Gestern fand der Tag der Erinnerung, Mahnung und Begegnung statt, der an die Opfer der faschistischen Terrorherrschaft und die Widerstandskämpfer:innen erinnert. Auf dem halleschen Gertraudenfriedhof erinnert ein Gedenkstein an die 679 Inhaftierten, die im Roten Ochsen ermordet wurden. In ihren Reden betonten Gisela Döring (Landesvorsitzende VVN-BdA Sachsen-Anhalt) und Ute Haupt (DIE LINKE Halle) die Notwendigkeit des Erinnerns und Gedenkens für eine heutige demokratische und antifaschistische Kultur.
Noch heute existiert die Verfolgung queerer Menschen, deren Abwertung auch für rechtsextreme und völkische Ideolog:innen zentral ist. Auch deshalb ist es wichtig, dass für Vielfalt weiterhin gekämpft wird und politische CSD-Demonstrationen stattfinden. In diesem Sinne möchten wir auf die morgige Veranstaltung in Halle hinweisen.
Am Donnerstag, 18. August 2022 wurde im Freigelände des Technik Museum Magdeburg, des vor 78 Jahren, nach jahrelanger Einzelhaft, Folter und KZ und auf direkten Befehl von Hitler ermordeten Vorsitzende der KPD und Reichstagabgeordnete, Ernst Fritz Johannes Thälmann (*16.04.1886 Hamburg-Altona; † 18.08.1944 KZ-Buchenwald) gedacht.
Die Reilstraße 78 ist ein Soziokulturelles Zentrum, das immer wieder Angriffen der extremen Rechten ausgesetzt ist. Anscheinend war am 3. Juli die Bedrohungslage so hoch, dass direkt mehrere Einsatzfahrzeuge der Polizei vor Ort waren, was zu begrüßen wäre, wenn darüber auch von Seiten der Polizei mit der Reilstraße 78 gesprochen würde – stattdessen gab es die einzigen Informationen aus der Presse! Die Reil.78 hat in ihrem Statement zu den Vorfällen vom 3. August schon recht, wenn sie schreibt: „grade jetzt, in Zeiten, in denen rechte Attentate verübt werden, ein rechtes Terrornetzwerk nach dem anderen auffliegt und die Verstrickungen von Polizei und Nazis immer mehr zu Tage treten – wir erinnern hier an die Berge von Munition und Waffen, die aus den Beständen von Polizei und Militär abhandengekommen sind – halten wir es für eine fahrlässige Gefährdung für alle Projektnutzenden, wenn die staatlichen Institutionen im Wissen, dass es eine konkrete Drohung gegen ein Soziokulturelles Zentrum gibt, niemanden darüber in Kenntnis setzen.“
Heute vor 100 Jahren verübten rechtsextreme Freikorps Anhänger in Berlin einen Mordanschlag auf den Publizisten Maximilian Harden. Dieser hatte sich mit vielen demokratischen und linken Akteur:innen (wie zB Kurt Tucholsky) zwar überwiegen, nichtsdestotrotz galt er der extremen Rechten als „Verräter“, da er von der Kriegsschuld des Deutschen Reiches überzeugt war. Er konnte das Attentat überleben, blieb aber gesundheitlich extrem angeschlagen und verstarb fünf Jahre später im Jahre 1927. Tucholsky kritisierte zurecht die nachsichtige Behandlung der Attentäter durch die deutsche Justiz. Denn klar ist: Sie versuchten Harden aus Gründen ihrer völkischen Ideologie zu töten und orientierten sich dabei an der Organisation Consul, die wenige Tage zuvor den Reichsaußenminister Rathenau ermorden ließ. Auch hier wurde sie Gefahr heruntergespielt, insbesondere Maximilian Harden wurde damit von Staat und Gesellschaft allein gelassen.
Heute vor 100 Jahren wurde Walther Rathenau von den Rechtsterroristen der Organisation Consul ermordet. Im Vorfeld gab es antidemokratische, antisemitische und völkische Bedrohungen gegen den damaligen Reichsaußenminister. Schon vorher gab es Anschläge auf und Morde an Kommunist:innen und Sozialdemokrat:innen. Aber auch Rathenau wurde als Liberaler und Repräsentant der Republik zum Ziel der Mörder. Es blieb eine riesige Hypothek von Weimar, dass die Hintermänner des Terrors niemals zur Rechenschaft gezogen wurden und später den faschistischen Umsturz unterstützen und vorantreiben konnten.
Die Antifaschistin und hallesche Studentin Lina E. sitzt seit über 580 Tagen in Untersuchungshaft. Aktuell läuft ein groß angelegter Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden gegen sie. Ihr wird vorgeworfen gewaltsam Angriffe auf Neonazis verübt zu haben und zu diesem Zweck Anführerin eine terroristischen Organisation zu sein. Noch konnten keine dieser Anschuldigungen ausreichend belegt werden und es zeichnet sich ab, dass das Verfahren juristisch kaum haltbar ist, in Großteilen zusammenfällt und vor allem als Inszenierung gegen „Linksextremismus“ gelten kann. Letztendlich scheinen konkrete Belege für die einzelnen Tatvorwürfe weiterhin zu fehlen, was die Behörden nicht davon abhält, Lina E. als „Terroristin“ darzustellen. Es ist an dieser Stelle nicht unsere Aufgabe, Stellung zu den erhobenen Vorwürfen zu beziehen – wir wissen schlicht nicht, was passiert ist. Wir sehen es als unsere Aufgabe auf die gewaltbereiten Neonazis und ihre Strukturen hinzuweisen und ihnen das Handwerk zu legen! Die VVN-BdA wurde von Antifaschist:innen und Widerstandkämpfer:innen gegen den deutschen Faschismus gegründet und es gab viele verschiedene Formen des Widerstands. Sie alle haben und hatten ihr Berechtigung. Deshalb sind wir als Antifaschist:innen grundsätzlich solidarisch mit allen Antifaschist:innen!
Am 9. Juni 1921 wurde Karl Gareis von der rechtsterroristischen Gruppe Organisation Consul ermordet. Der bayerische Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) kam gerade von einer Besprechung mit Genoss:innen, als er aus nächster Nähe erschossen wurde. Der Mord wurde niemals vollständig aufgeklärt. Relativ sicher ist aber der Zusammenhang mit der politischen Arbeit von Gareis. Als Sozialist setzt er sich gegen die verdeckte Aufrüstung der Weimarer Republik durch Heimatverbände, Freikorps und die sog. Schwarze Reichswehr ein. Für Gareis stand fest, dass Hochrüstung den Frieden gefährdet und das Geld besser fürs Gemeinwohl auszugeben wäre. Seine Kolleg:innen im Reichstag klagten den Mord in diesem Sinne an, nur wollte die Mehrheit die politische Motivation nicht erkennen. Die Terrorserie im Jahr 1921 muss als Auftakt zu den weiteren Anschlägen im Jahr 1922 gesehen werden.
Am 4. Juni 1922 gab es einen rechtsterroristischen Anschlag auf Philipp Scheidemann, den damaligen Oberbürgermeister von Kassel. Auch wenn das Opfer den Säureangriff knapp überlebte, konnte die terroristische Zelle der „Organisation Consul“ diesen Anschlag ausführen, ohne ernsthafter Repression ausgesetzt zu sein. Während zwei der unmittelbaren Täter zwar verhaftet wurden, blieben die Hintermänner, das Netzwerk und auch direkte Mittäter unberührt und konnten ihr Werk fortsetzen. Sowohl die Justiz als auch die Regierung der Weimarer Republik waren nicht in der Lage, auf die Vielzahl rechtsterroristischer Attentate zu reagieren. Stattdessen ging es in viel zu vielen Debatte um die angebliche „Gefahr von links“ und um die Verteidigung der geistigen Brandstifter. Als Höhepunkt des rechten Terrors wurde die Ermordung von Walther Rathenau vom 24. Juni 1922 gesehen. Wir möchten an die Opfer des rechten Terrors der damaligen Zeit erinnern und deutlich machen, was nicht nur damals das Problem war: Fehlende Konsequenz der Sicherheitsbehörden und der Politik im Umgang mit rechten Strukturen.
Am 12. Mai wurde auf dem Uniplatz an die Bücherverbrennung gedacht, an der sich hallenser Bürger und Studenten 1933 beteiligt hatten. Nach dem Universitätsrektor Christian Tietje in einem Grußwort an das Leben und Werk von Bertha von Suthner und ihren berühmten pazifistischen Roman „Die Waffen nieder“ und dessen Aktualität im Angesicht des Ukrainekriegs erinnerte, laß der hallenser Schriftsteller André Schinkel aus den Werken verschiedener Autor:innen, deren Bücher auf verbrannt worden waren oder wären. Heute erinnert eine Plakette auf dem Uniplatz an die Bücherverbrennung. Wir danken Halle gegen Rechts und dem AK Protest für die Organisation der Veranstaltung!