Projekt „1000 Buchen“: Ein Baum für Robert Siewert

15. April 2024

Am 13. Apri 2024 fand die 88. Pflanzaktion des Projekts „1000 Buchen für Buchenwald“ des Lebenshilfewerks Weimar/Apolda e.V. und der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V. (LAG) auf dem ehemaligen Gelände des Flugplatzes Weimar-Nohra statt, wo sich das erste KZ befand. Zusammen mit unseren Kamerad*innen der TVVdN-BdA und den „Supporter:innen gegen Nazis“ haben wir einen Haselnussbaum gestiftet und ihn dem Widerstandkämpfer und Buchenwaldhäftling Robert Siewert gewidmet.

Grußworte hielten Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, der Bürgermeister der Stadt Weimar Ralf Kirsten und der Bürgermeister der Gemeinde Grammetal Roland Bodechtel. Zum KZ Nohra trug Sabine Stein, sie ist ehemalige Archivleiterin Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, einen Beitrag vor.

Wir danken ganz herzlich den Organisator*innen Lebenshilfewerks Weimar/Apolda e.V. und der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V. (LAG), den Redner*innen, Musiker*innen und allen Anwesenden, die zum Gelingen dieses Tages beigetragen haben.

Zu Robert Siewert hat unsere Landesvorsitzende Gisela Döring eine Gedenkrede gehalten, die im Folgenden nachgelesen werden kann. Weitere Erinnerungsbäume wurden für Karel Vrkoslav, Willi Rattai und die Häftlinge, die Zwangsarbeit leisten mussten u.a. bei Krupp, Carl Zeiss, Siemens, BMW gepflanzt. Auch an ihre Schicksale wurden von Angehörigen und Freund*innen erinnert.

Wir Danken unseren thüringer Kamerad*innen der TVVdN-BdA für das Bereitstellen der Fotos.

Gedenkrede Robert Siewert 13. April in Nohra

Bäume wurden geschändet, wurden geschändet von Menschen rechtsextremer Gesinnung, von Neofaschisten. Vorgestern, im öffentlich-rechtlichen TV wurde einem geistigen Brandstifter, dem Faschisten Björn Höcke, dort eine Bühne geboten. Im Sinne seiner und seiner Partei, der AFD postulierten Forderung, die Gedenkkultur um 180° zu drehen, stellte er dabei in den Mittelpunkt, der Lichtgestalten, der Positiven (der tapferen Wehrmachtssoldaten) zu gedenken. Er stellte nicht in Abrede, migrantische Menschen zu vertreiben, er stellte nicht in Abrede, humanistisch Gesinnte, also auch uns, aus dem deutschen Volkskörper zu entfernen.
Wir hier aber gedenken heute eines Menschen, der sein Leben eingesetzt hat gegen den Terror des deutschen Faschismus, gegen völkisches Denken und Rassismus. Für einen Menschen, der beseelt war von der Solidarität, der internationalen Solidarität aller Menschen im Sinne des Humanismus. Ein Baum wird heute und hier zum Gedenken an Robert Siewert (1887-1973) gepflanzt.
Der Politiker, Widerstandskämpfer und Gründungsmitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes war nach illegaler Tätigkeit gegen den faschistischen Terror acht Jahre Häftling im KZ Buchenwald. Er erlebte dort mit seinen Mitgefangenen die Hölle der mit sadistischen SS-Schergen bestückten Lagerorganisation. Er war Mitglied des illegalen Lagerkomitees. Er hatte großen Anteil am gut vernetzten Widerstand gegen die entmenschten Faschisten.
Dr. Eugen Kogon, Mithäftling, bürgerlicher Demokrat, rühmte ihn in seinem, schon 1947 erschienenem Buch „Der SS-Staat“, als „ein Beispiel der Sauberkeit, Menschlichkeit und persönlichen Mutes“. Er beschrieb dort, wie der Häftling Robert Siewert bedenkenlos für sich selbst, voller Mut, mehrmals durch kraftvolles Auftreten gegen brutale Quälereien durch SS-Leute Kameraden vor dem Tod bewahrte.
Der von Idealen erfüllte Kommunist, Robert Siewert, rettete als Kapo Hunderten von überwiegend polnischen und jüdischen Kindern und Jugendlichen das Leben durch Arbeit und Ausbildung in dem von ihm geleiteten Baukommando I. Sein Freund, der Schriftsteller, Bruno Apitz, setzte ihm in seinem Buch „Nackt unter Wölfen“, ein literarisches Denkmal.
Als Folge seiner Teilnahme als Redner an der illegalen Trauerfeier für den ermordeten Ernst Thälmann wurde er grausam gefoltert und in Arrest geworfen.
Zum gefährlichen politischen Häftling gestempelt, überlebte er seine von der SS geplante Hinrichtung im April 1945 in einem von seinen Mithäftlingen gesicherten Versteck.
Am 18. Mai 1945, 4 Wochen nach der Selbstbefreiung traf er mit einer Gruppe ehemaliger Buchenwaldhäftlinge in Halle an der Saale ein.
Ohne sich zu schonen stellte er sich mit Sachkenntnis und Humanismus dem Wiederaufbau des materiell und geistig am Boden liegenden Landes zur Verfügung. Gegründet auf seine politische Integrität und sein charismatisches Auftreten gelang es ihm, besonders bei der Jugend, Mut und Zuversicht zu verbreiten, die Menschen aufzurichten und Nachsicht gegenüber sogenannten Mitläufern zu üben.
In hoher Regierungsverantwortung als 1. Vizepräsident der neugebildeten Provinz Sachsen stehend hatte er, gemeinsam mit dem Präsidenten, Prof. Hübner, bürgerlicher Demokrat, hohen Anteil an der konsequenten Entnazifizierung, aber auch daran, junge Menschen als Neulehrer*innen und Volksrichter*innen zu gewinnen.
Später als Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt unterstützte er, im Zuge der Bodenreform, in der er das Vermächtnis des großen Bauernführers, Thomas Müntzer, sah, Hunderte von umgesiedelten Bauern beim Aufbau von Neubauernwirtschaften.
Im Gefolge von stalinistischen Repressionen, gegründet auf den Vorwurf der Zugehörigkeit zur kommunistischen Opposition in der Weimarer Republik, wurde Robert Siewert seiner Regierungsämter enthoben.
Langjährig war er danach in verantwortlichen Funktionen im Bauministerium der DDR tätig.
Als Mitglied des Präsidiums des Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer*innen setzte er sich voll Engagement für den Aufbau von würdigen Gedenkstätten, besonders der ehemaligen KZ Sachsenhausen, Ravensbrück und Buchenwald ein.
Hochgeachtet von seinen ehemaligen internationalen Kameraden aus dem KZ Buchenwald arbeitete er ehrenamtlich als Präsidiumsmitglied der International Federation of Resistants Fighters (FIR).
Als Zeitzeuge, seinen sozialistischen Idealen treu geblieben, vermittelte er jungen Menschen lebendiges Wissen über das Wesen des deutschen Faschismus, machte ihnen Mut, sich dagegen zu wappnen und legte ihnen nahe, im Sinne der in den KZ und Zuchthäusern Ermordeten stets für Humanismus und Völkerverständigung einzutreten. Sein Credo, das Credo des Schwurs von Buchenwald, den Faschismus mit der Wurzel ausreißen, für eine neue Welt des Friedens, der Freiheit und der sozialen Gleichheit für alle Menschen dieser Welt sich einzusetzen, ist uns heute Verpflichtung.
Die Frage von Bertolt Brecht: Wessen Morgen ist der Morgen? Wessen Welt ist die Welt? war seine Frage, sein Vermächtnis an uns.

Gisela Döring
LV VVN -BdA Sachsen-Anhalt

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